Donnerstag, 31. März 2022

Hannibal Lecter - der unsterbliche Bösewicht

 Vor gut 30 Jahren erschien von Thomas Harris "Das Schweigen der Lämmer" und machte Hannibal Lecter zu einer Kultfigur. Immer mal wieder wird die Verfilmung mit Jodie Foster und Anthony Hopkins im Fernsehen gezeigt, diesmal auf arte. Und es gibt nun eine Krimiserie "Clarice Starling - das Erwachen der Lämmer".

Mir rief das in Erinnerung, dass ich vor geraumer Zeit den Fortsetzungsband "Hannibal" las und folgendes dazu schrieb:

HANNIBAL von Thomas Harris                                                                                                      Ausgabe: geb. , 526 Seiten                                                                                                                  Erschienen 1999 bei Hoffmann und Campe Verlag/Wilhelm Heyne Verlag          

Elf Jahre nach Das Schweigen der Lämmer (1988) legt Thomas Harris nun die Fortsetzung mit dem schlichten Titel Hannibal vor. Mehr Worte braucht der Titel auch nicht, denn wir alle wissen sofort, wer Hannibal ist: Nein, nicht der karthagische Feldherr Hannibal, der mit Soldaten und Elefanten die Alpen überquerte, sondern Dr. Hannibal Lecter – Psychiater, hochintelligent, feinsinnig, mehrfacher Mörder, Kannibale, strengstens bewacht und trotzdem aus dem Gefängnis entflohen. Nun ist er zurück.

Auf der Rückseite des Schutzumschlages ist Stephen King zitiert: „Die Leser wollen nur wissen, ist es so gut wie Das Schweigen der Lämmer. Nein, dieser Roman ist nicht so gut, er ist besser“.

Ich fange voller Erwartung an zu lesen – und bin bei ca. Seite 140 bereit, aufzugeben. Zwar tauchen alte Bekannte (als Protagonisten oder in der Erinnerung an sie) auf, allen voran natürlich Clarice Starling und ihr Erzfeind Paul Kendler, und neue Personen, hauptsächlich Mason Verger plus Schwester Margot (falls ich mich da irre, bitte ich um Nachsicht – für mich sind sie neu) und Chefinspektor Rinaldo Pazzi, werden eingeführt. Aber sie bleiben für mich blutleer, was und wie da erzählt wird, finde ich spannungs- und überraschungslos (natürlich muss Mason Verger dank Hannibal Lecter verstümmelt und somit gruselig aussehen. Ich habe bei der Beschreibung von Mason Verger mit keiner Wimper gezuckt) bis hin zu überflüssig ausschweifend und stilistisch uneinheitlich. Vereinfacht gesagt: Ich langweile mich.

Trotzdem will ich nicht so schnell aufgeben und lese rasch noch einmal Das Schweigen der Lämmer. Da es mir immer noch gefällt, bin ich bereit, Hannibal eine zweite Chance zu geben und ich starte nochmals ganz von vorne.

Hier der Inhalt: Die Karriere von Clarice Starling dümpelt vor sich hin, seit sie Buffalo Bill, den grausamen Serienkiller, gefunden und getötet hat. Dieser Erfolg bringt sie auf der Karriereleiter nicht verdientermaßen voran, denn er ist ihrem Erzfeind, Paul Kendler, ein Dorn im Auge und er sorgt für ihren Abstieg. Schließlich wird sie nach einer missglückten Razzia Bauernopfer.

Inzwischen ist Dr. Lecter in Form eines Briefes an sie und ihrem Kontakt zu Mason Verger wieder in ihr Leben getreten. Mason Verger hat nur eines im Sinn, nämlich Hannibal Lecter aufzuspüren und grausam zu Tode zu foltern. Er malt sich aus, Dr. Lecter von Schweinen bei lebendigem Leib häppchenweise auffressen zu lassen. Um das verwirklichen zu können, hat er seine brutalen Handlanger, allen voran Carlo.

Hannibal Lecter ist nun in Florenz, sein Gesicht verändert, und wird als Dr. Fell Kurator des Palazzos Capponi. Hier nun treffen er und der Chefinspektor der Questura Rinaldo Pazzi zusammen. Relativ schnell erkennt Pazzi in Dr. Fell Hannibal Lecter, aber statt ihn festzu- nehmen, erliegt er der Versuchung des Geldes: Mason Verger hat eine Million Belohnung für die Ergreifung von Lecter ausgesetzt. Es überrascht nicht, daß Pazzi seine Habgier durch die Hand von Dr. Lecter mit dem Leben bezahlt.

Hannibal Lecter gelingt die Flucht zurück nach Amerika. Ab diesem Zeitpunkt wird der Inhalt bestimmt von der Jagd Mason Vergers (mit Unterstützung von Paul Krendler) auf Dr. Lecter. Und es gelingt Carlo und seinen Helfern tatsächlich, Hannibal Lecter zu überwältigen und zur Muskrat Farm, Vergers Wohnsitz, zu bringen. Als er bereits gefesselt an einer Wagendeichsel hängt, die Füße nackt, damit die Schweine ihr Werk beginnen können, da ist es Clarice Star-ling, inzwischen vom Dienst suspendiert, die ihn befreit und dabei selbst in Lebensgefahr gerät. Nun wiederum rettet Hannibal Lecter Starling, indem er sie in sein Zuhause bringt und pflegt – unter Zuhilfenahme von Drogen. Den Schluss möchte ich nicht verraten; nur so viel: Er überrascht – und ist einer Clarice Starling unwürdig.

Mit Dr. Hannibal Lecter hat Thomas Harris nach dem Dr.Jekyll/Mr.Hyde-Prinzip eine Figur geschaffen, die uns gleichzeitig fasziniert und abstößt: Einerseits ist Dr. Hannibal Lecter ein Mann mit gesellschaftlichen Status, kultiviert, gebildet, und andererseits eiskalter Mörder und – dessen nicht genug - Kannibale, mit einem Faible für die Innereien und Zungen seiner Opfer. Mörder kennen wir viele, reale und fiktive, aber diese Kombination lässt uns schaudern. Uns fällt Fritz Haarmann ein (es gibt da dieses kleine Liedchen: Warte, warte noch ein Weilchen, bald kommt Haarmann auch zu dir, mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Hackefleisch aus dir) oder der Flugzeugabsturz 1972 in den chilenischen Alpen, wo die Überlebenden aus ihrer Hungersnot heraus ihre toten Kameraden gegessen haben (sie taten es, um nicht zu verhungern, trotzdem war es Kannabilismus). Gegen eine gut zubereitete Rinderzunge oder gebratene Leber haben wir ja nichts, schließlich kommt das ja von Nutztieren, aber Menschenteile zu essen, und seien sie noch so köstlich zubereitet von Dr. Lecter - wir wenden uns mit Grausen ab.

Dr. Hannibal Lecter muß im schriftstellerischen Leben von Thomas Harris über all die Jahre großen Raum eingenommen haben, sonst hätte er wohl kaum eine Fortsetzung von Das Schweigen der Lämmer geschrieben. Denn was ist neu an Dr. Lecters Verhalten? Nichts. Was überrascht uns? Einzig und allein, dass er an seine Schwester denkt und dass er sich in seinen Gedächtnispalast zurückzieht. Als Titelgeber (auch im Original Hannibal) finde ich ihn blaß, der Hauptprotagonist ist für mich Mason Verger mit seinen Schergen. Der übertrifft Lecters Grausamkeiten bei weitem und überhaupt wird ausufernd in der perfidesten Art und Weise gemordet. Das übertrifft das alttestamentarische Auge um Auge, Zahn um Zahn um einiges. Von all den Figuren bleiben nur Margot (mit Freundin), Barney, Clarice Starling UND  Dr. Hannibal Lecter übrig.

Ist es richtig, dass ein Mensch wie Hannibal Lecter ungeschoren davon kommt? Eigentlich nicht, oder will uns Thomas Harris damit gar etwas sagen?  Vielleicht in einer Fortsetzung??
Die wird aber nicht in meinem Regal stehen. Ich habe Bücher, die ich gerne nochmals lese, Hannibal gehört nicht dazu.

 Eine harsche Kritik, ich weiß - aber stehe ich alleine damit da ???

Zum Schluß ein Versprechen: In Kürze werde ich über das 14. Lateinamerikanische  Festival berichten, das vom 29.03. - 11.04.2022 im DAS KINO stattfindet