Mittwoch, 1. September 2021

Leckerbissen im DAS KINO....

...nein, keine kulinarischen für einen Stehempfang einer VIP-Person, sondern cineastische. In Kooperation mit DAS KINO zeigten die Salzburger Festspiele vom 26. Juli bis 21. August anlässlich des 100jährigen Bestehens der Festspiele unter dem Titel "Theater im Kino" Filme der Jahre 1920 bis 1937 zu Ehren von Max Reinhardt.


Jeder weiß um die Bedeutung Max Reinhardts für Salzburg und seiner eigenen Verbundenheit mit der Stadt. Verbunden war er aber auch mit der Schauspielerfamilie Thimig, da er mit Helene Thimig verheiratet war. 


                                         

 Das Program umfasst deshalb Filme des Reinhardt Ensembles und der Thimig Dynastie.

Ein glücklicher Zufall ließ meinen Sohn und mich das Booklet entdecken und da wir alte Filme sehr mögen, war uns sofort klar, dass wir uns so viele Filme, wie zeitlich möglich, anschauen werden. Ich persönlich liebe den Moment, wenn es im Saal dunkel wird und der Film startet, ein dunkles Rechteck mit vielen weißen, tanzenden Punkten und leisem Rauschen.

Gemeinsam haben wir uns angesehen:

Scherben 1921, Regie : Lupu Pick, mit Werner Krauß, Edith Posca, am Piano Maud Nelissen

Die Verrufenen 1925, Regie: Gerhard Lamprecht, mit Frida Richard, Elektronische Musik mit Inou Ki Endo (Shilla Strelka)

1914, die letzten Tage vor dem Weltbrand 1930, Regie: Richard Oswald, mit Oskar Homolka, Heinrich George, Hans Peppler, Ferdinand Hart

Unsichtbare Gegner 1933, Regie: Rudolf Katscher, mit Paul Hartmann, Oskar Homolka

Geld auf der Straße 1930, Regie: Georg Jacoby, mit Hugo und Hans Thimig

Die große Liebe 1931, Regie: Otto Preminger, mit Hugo Thimig

Mensch ohne Namen 1932, Regie: Gustav Ucicky, mit Helene Thimig

Tanzmusik 1935, Regie: Johann Alexander Hübler-Kahla, mit Hans und Hermann Thimig

Brüderlein fein 1942, Regie Hans Thimig, mit Hermann Thimig

Die kluge Marianne 1943, Regie: Hans Thimig, mit Hermann Thimig

Zu jedem Film gab Kurator Olaf Möller eine Einführung, informativ und launig zugleich.

Zu meinen Favoriten zählen von den zehn gesehenen Filme aus unterschiedlichen Gründen die folgenden sieben:

Scherben
Erzählt wird die Geschichte einer Bahnwärterfamilie kammerspielartig: Vater, Mutter und Tochter leben ihren gewohnten Alltag. Das Auftauchen eines Inspektors, einquartiert in ihrem kleinen Häuschen, führt jedoch innerhalb kürzester Zeit zum Zerfall der Familie.
Dieser Film kommt ohne jede Worteinblendung aus, erst ganz zum Schluss sagt der verzweifelte Vater : "Ich bin ein Mörder".

Scherben, Booklet S. 17 oben
 

Die Verrufenen
Für zwei, aus dem Gefängnis entlassenen Männer, teilen sich ihre Lebenswege: Einer wird
wieder zum Gauner, der er auch vorher war, der andere - Robert Kramer - will wieder ehrbar werden. Gespielt wird Robert Kramer mit grosser Intensität von Bernhard Goetzke.
Ich kannte diesen Schauspieler nicht, aber ich fand ihn so bemerkenswert, dass es mir wichtig war, seinen Namen zu erfahren.

Leider konnte ich nur diese zwei Stummfilme sehen. Für mich sind gerade diese Filme, in denen hauptsächlich nur über Gestik und Mimik dem Zuschauer die Geschichte erzählt wird, Kunst !

1914, die letzten Tage vor dem Weltbrand
Hier geht es nicht um das Attentat von Sarajewo, sondern hochinteressant um die Zeit danach, in der die Staatsherrscher darüber verhandeln, ob es Krieg geben soll oder nicht (erschreckend die Wankelmütigkeit und Beeinflussbarkeit des Zaren Nikolaus II.), um das Zerbrechen bestehender Bündnisse, nicht eingehaltener Versprechen, Alleingänge und letztendlich zur Kriegserklärung an Serbien durch Kaiser Franz Joseph.
Mich hat der Film zu Jean Jaurès geführt, dem Mann, der sich vehement gegen einen Krieg bis zur letzten Minute ausgesprochen hat und dafür ermordet wurde. Ich wollte gerne mehr über ihn erfahren und habe mir das Buch von Jost Meyen "Jean Jaurès, Ein Leben für den Frieden" gekauft - und gleich gelesen.

Unsichtbare Gegner
Die Quellen der Amazonas Oil Company sind versiegt, aber ihr Besitzer versucht, seine Firma mittels eines veralteten Gutachtens noch teuer zu verkaufen.
Ein spannender Krimi nach dem Motto "Schau, wem trau - am besten traue niemandem". In den Hauptrollen Paul Hartmann als Gutmensch und Oskar Homolka als Bösewicht, so brillant und präsent, dass man gerne seine Gangsterbraut sein möchte !

Geld auf der Straße
Einfach eine Wohlfühlkomödie mit durchweg spritzigen Dialogen und viel Anlass zum Lachen. Im Mittelpunkt steht Georg Alexander als ewig pleiter Lebenskünstler, dabei so charmant, dass man ihm nicht böse sein kann. Dank seiner Schlitzohrigkeit bringt er es letztendlich zum Millionär und zur Verlobung mit der Bankierstochter Dodo, die eigentlich nach dem Wunsch des Vaters einen anderen Mann heiraten sollte.

Dieser Film wurde liebevoll aus zusammengetragenen Teilen restauriert - manchmal tauchen polnische Texteinblendungen auf. Einige der alten Filme kann man kaufen, diesen leider nicht. Dabei würde ich ihn mir sehr gerne nochmals anschauen...

Die große Liebe
Mutter Frieda ist sich auch nach zehn Jahren sicher, dass ihr Sohn Franz nach dem Krieg heimkehren wird. Eines Tages entdeckt sie in der Zeitung das Foto eines namenlosen Mannes, der ein Kind aus dem Fluss gerettet hat: das ist ihr Franz ! Sie setzt alle Hebel in Bewegung, um seinen Aufenthaltsort zu erfahren und findet ihn schließlich in der Einrichtung für wohnungslose Spätheimkehrer. In einer Runde sitzen mehrere Männer zusammen, einer spielt Akkordeon und alle singen. 
Die Szene, die sich beim Eintreten von Mutter Frieda abspielt, fand ich sehr anrührend: Alle Männer verstummen und schauen zu, wie Mutter Frieda ihren Franz umarmt und gar nicht loslassen will. Als beide gegangen sind, will der Akkordeonspieler die vorherige Stimmung wieder aufleben lassen, aber es gelingt ihm nicht. Nach ein paar Tönen gibt er auf, denn in allen Gesichtern der Männer zeigt sich Hoffnungslosigkeit und Trauer, denn keiner wartet auf sie.

Mutter Frieda tut alles für ihren Franz, von dem wir als Zuschauer bereits wissen, dass er nicht ihr Sohn ist. Als sich Franz in die Tochter des Taxiunternehmers verliebt, gesteht er ihr alles, bittet sie aber, Mutter Frieda nichts davon zu erzählen. Er will sie nicht verletzen, aber ich fragte mich, entschuldigt das diese Lebenslüge ? Die Frage wird mir am Schluss des Filmes beantwortet: Mutter Frieda sagt zu ihrer Nachbarin: "Du darfst es ihm nie erzählen, aber ich weiß, dass er nicht mein Franz ist. Aber ich liebe ihn!"

Damit war ich aber nicht zufrieden: Zwei Menschen mit je einem solchen Geheimnis und in meiner Phantasie malte ich mir aus, wie am Sterbebett von Mutter Frieda die große Aussprache kommt....

Die große Liebe, Booklet S. 21 oben

Mensch ohne Namen
Auch hier wird das Thema Kriegsheimkehrer aufgegriffen: Ein Soldat in der Uniform des deutschen Kaiserreichs wird schwer verletzt und ohne Papiere auf einem russischen Schlachtfeld aufgefunden und im Lazarett gesund gepflegt. Aber er hat sein Gedächtnis verloren. So bleibt er in der Sowjetunion, hat Arbeit und führt ein ruhiges Leben - bis ihm eines Tages eine deutschsprachige Zeitung in die Hände fällt und sein Gedächtnis schlagartig wiederkehrt: Er ist Deutscher, heißt Heinrich Martin, hat eine Frau und Tochter und zudem ist er Besitzer eines großen Werkes. Aufgewühlt fährt er nach Deutschland, aber niemand glaubt ihm, dass er Heinrich Martin ist. Seine Frau hat ihn für tot erklären lassen, ist wieder verheiratet und seine Tochter sagt zum Stiefvater Papa.
Der Film zeigt den ganzen behördlichen Irrsinn und die Unmöglichkeit auf, aus einem Toten wieder einen Lebenden zu machen. Die Sache geht bis vor das Gericht und letztendlich wird er gezwungen, einen neuen Namen anzunehmen, damit er Papiere erhält. Ich kann nur mit  dem Kopf schütteln !
Als Zuschauer glauben wir zuerst, dass er wirklich Heinrich Martin ist, aber je weiter die Handlung fortschreitet, kommen uns Zweifel, ob er nicht doch ein Betrüger ist - wir erfahren nicht die Wahrheit. Es gibt eine Szene, in der er sich im Spiegel anschaut und sagt: "Mich erkennt ja niemand mehr." Im Nachhinein fragte ich mich, hat er das voller Trauer oder Genugtuung gesagt ?

Mensch ohne Namen, Booklet S. 21 unten

Die Gelegenheit, all die alten Filme anschauen zu können, hat uns viel Freude gemacht und wir waren direkt ein bißchen wehmütig, als es zu Ende war....

Booklet S. 6: Hermann, Helene und Hugo Thimig mit Max Reinhardt

ABER: DAS KINO hielt in dieser Zeit noch ein weiteres Schmankerl bereit: Eine Retrospektive derWong Kar-Wai Filme 1988 bis 2004. Diese haben wir uns auch angeschaut - natürlich - und deshalb: Fortsetzung folgt !



 

 

 

 

 





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