Wong Kar-Wai: Ein Versprechen muss man halten 😀
Als mein Sohn und ich im Programmheft des DAS KINO entdeckten, dass es eine Retrospektive der Filme von Wong Kar-Wai der Jahre 1989 bis 2004 gibt, war uns klar, dass wir sie uns anschauen werden.
Programmhft Seite 17 |
Mir sagte zunächst der Name dieses Hongkong-Regisseurs nichts (was sich jedoch rasch änderte), aber vor etlichen Jahren haben mein Sohn und ich uns mit Begeisterung mehrere Filme des Hongkong-Regisseurs John Woo angesehen: "A Better Tomorrow", "Hard Boiled", "The Killer", um nur einige zu nennen.
As Tears Go By, 1988
In Wong Kar-Wais Spielfilmdebüt wird sowohl eine Gangster- wie auch Liebesgeschichte erzählt: Ah Wah (Andy Lau) ist Kleinkrimineller, der den jungen Fly (Jackie Cheung) unter seine Fittiche genommen hat. Fly möchte so cool wie Ah Wah werden, bringt sich aber durch seine Großmäuligkeit immer in neue Schwierigkeiten, aus denen ihm Ah Wah ständig helfen muss.
Als sich Ah Wah in seine Cousine (Meggie Cheung) verliebt, die für ein paar Tage bei ihm wohnt, glaubt er an ein gutes Ende. Aber Fly ist in den allergrößten Schlamassel geraten und bittet Ah Wah wieder um Hilfe. Damit beginnt das Verhängnis...
In diesem Film gibt es viele Gewaltszenen. Anders als bei John Woo, dessen Gewaltszenen wie ästhetisch choreografiertes Ballett wirken, empfand ich sie bei Wong Kar-Wai einfach nur als brutal. Ich war direkt, ehrlich gesagt, ein bisschen erschrocken und befürchtete, dass auch die anderen Filme so sind - aber meine Sorge war unbegründet.
Days of Being Wild, 1990
York (Leslie Cheung) ist ein Playboy, dem nur daran liegt, Mädchen zu erobern und dann ihr Herz zu brechen. Seine erste Romanze ist mit Li-zhen (Maggie Cheung). Auf ihre Frage hin, ob er sie liebt, erwidert York herzlos, dass er noch viele Mädchen kennenlernen wird und erst am Ende weiß, welche er geliebt hat. Darauf folgt gleich seine nächste Beziehung mit Mimi, einer Cabaret-Tänzerin (Corina Lau).
Gleichzeitig erfahren wir, dass York ein sehr gespaltenes Verhältnis zu seiner Adoptivmutter (Rebecca Pan) hat, einer früheren Prostituierten. Er ist davon besessen, seine biologische Mutter zu finden und das führt ihn auf die Philippinen...
Ab diesem Film (der 1. Teil einer inoffiziellen Trilogie, zusammen mit In the Mood for Love und 2046) arbeitet Wong Kar-Wai mit dem australischen Kameramann Christopher Doyle zusammen. Doyle liefert eine großartige und außergewöhnliche Bildersprache in atemberaubenden Sequenzen, die, zusammen mit dem Soundtrack, genau unterstützt, was Wong Kar-Wai dem Zuschauer vermitteln will.
Chungking Express, 1994
Der Film erzählt von Liebe, Verlust, Erinnerung und dem Willen, sich wieder neu zu verlieben: Zwei Polizisten (Takeshi Kaneshiro als Cop 223 und Tony Leung Chiu-Wai als Cop 663) begegnet die große Liebe. Während Cop 223 seine für immer verliert, findet Cop 663 nach dem Ende seiner Beziehung zu einer Flugbegleiterin eine neue. Aber wird sie auch Erfüllung finden ? Eine wichtige Rolle spielt dabei
ein Schnellimbiss.
Der Film ist zauberhaft, voller Ideen und es gibt viel zu lachen. Trotzdem ist es eine bitter-süße Geschichte. Quentin Tarantino war so gerührt von diesem Film, dass er ihn in die westlichen Kinos brachte, so dass Wong Kar-Wai bei uns auch bekannt wurde und Kultstatus erreichte.
Fallen Angels, 1995
Seit längerem arbeitet "Agentin" (Michelle Reis) für "Killer" (Leon Lai). Sie kennen sich nicht, aber sie reinigt sein Apartment, verwischt seine Spuren und schickt ihm Nachrichten, wen er töten soll. Längst ist sie in ihn verliebt. Als "Killer" aussteigen möchte, bittet sie ihn um einen letzten Gefallen....Wie auch in As Tears Go By endet das in einem Drama.
Happy Together, 1997
Lai (Tony Leung Chiu-Wai) und Ho (Leslie Cheung) verlassen gemeinsam Hongkong und reisen nach Argentien. Sie hoffen, dort ihre Homosexualität ausleben zu können. Aber Ho verlässt Lai und prostituiert sich. Lai hingegen arbeitet als Türsteher und freundet sich mit Chang (Chang chen) an, der aber bald Argentinien verlässt. Nach gewaltvollen Eskapaden kehrt Ho zu Lai zurück, aber die Liebe zwischen ihnen ist nicht mehr zu retten. Ho bleibt in Argentinien, während Lai nach Hongkong zurück- kehrt, über einen Zwischenstopp in Taipeh, wo er Chang zu finden hofft.
Mit dem Thema Homosexualität hat Wong Kar-Wai meiner Meinung nach viel Mut bewiesen. Und es gibt eine Szene/Kameraeinstellung in dem Film, die die große Einsamkeit Menschen mit dieser Veranlagung zeigt, selbst zwischen diesen beiden miteinander verbundenen Männern: Ihr altes Auto hat den Geist aufgegeben, sie stehen, ohne miteinander zu sprechen, an einer langen Straße, in der Hoffnung, dass ein Auto vorbeikommt. Aber die Straße bleibt leer, hinter ihnen ist das Nichts und gegenüber der Straße eine riesige Einöde.
In the Mood for Love, 2000
Programmheft Seite 18 |
Der Film spielt im Hongkong der 1960iger Jahre. Der Zeitungsredakteur Chow (Tony Leung Chiu-Wai) bezieht mit seiner Ehefrau eine Wohnung im Haus der Shanghai-Community. Nebenan zieht Li-zhen (Maggie Cheung) mit ihrem Mann ein. Sie werden gute Nachbarn und Freunde, müssen aber eines Tages feststellen, dass sie von ihren Ehepartnern betrogen werden. Damit setzt sich eine gefährliche Spirale an Wirrungen in Gang, zumal sich Chow in Li-zhen verliebt hat. Aber liebt ihn auch Li-zhen und wenn ja, genug, um ihren Mann zu verlassen ?
Man käme nie auf den Gedanken, dass es kein Drehbuch zu dem Film gab: "Ein faszinierender, formvollendeter Film, der ein höchst differenziertes Bild seelischer Befindlichkeiten zeichnet" (Zitat aus Lexikon des internationalen Films)
2046, 2004
Hongkong 1966: Chow (Tony Leung Chiu-Wai) hat sich in das Hotelzimmer 2046 zurückgezogen und arbeitet an einem Science-Fiction Roman. Je weiter er sich in die Zukunft schreibt, desto intensiver werden seine Erinnerungen an die Frauen, die in seinem Leben Bedeutung hatten, vor allem an seine große Liebe, die unerfüllt geblieben ist.
Die Zimmernummer 2046 spielt bereits in In the Mood for Love eine Rolle. In 2046 heißt es, wer einmal dieses Zimmer betreten hat, kommt nie wieder heraus.
Natürlich sind Wong Kar-Wais Filme wesentlich vielschichtiger, als ich es hier in diesen kurzen Inhaltsbeschreibungen wiedergeben kann. Gezeigt wurden die Filme in der Originalsprache mit deutschen Untertiteln.
In allen Filmen der Retrospektive spürt man die Liebe Wong Kar-Wais zu Hongkong. Aber er zeigt uns nicht die glitzernde und reiche Stadt, wie wir sie im Westen zur britischen Kolonialzeit kennen, sondern Wong Kar-Wai führt uns zu den Menschen am Rande der Gesellschaft, die in schäbigen Wohnungen hausen, zu ihren zerplatzten Hoffnungen, vertanen Leben, ihrer unerfüllten Liebe, ihrer Unfähigkeit, über ihre wahren Gefühle zu sprechen - und trotzdem machen sie immer weiter. Über allem liegt ein Hauch von Melancholie, verstärkt durch Symbole wie große Uhren und prasselnden Regen.
Die Filme hallen in mir nach, beschäftigen mich....zu meinen Favoriten zählen Happy Together, In the Mood for Love und natürlich Chungking Express (letzteren werde ich mir kaufen).
Es war, zusammen mit Theater im Kino, ein wunderbarer Kino-Sommer !!!! Und zu guter Letzt noch ein Geständnis: Zu John Woos Zeiten war ich von Chow Yun Fat hingerissen, jetzt bin ich es von Tony Leung Chiu-Wai 😍